Steuerwettbewerb in Europa nimmt Fahrt auf
Nov2016

Steuerwettbewerb in Europa nimmt Fahrt auf

26 November 2016
Ungarn senkt Unternehmenssteuern ab 2017 auf einheitlich 9% - dennoch Skepsis wegen Sondersteuern und Rechtsunsicherheit

Die Regierung Orban führt ab Januar 2017 den niedrigsten Unternehmenssteuersatz in der EU ein. Mit einem weitreichenden Umbau des Steuer- und Abgabensystems soll Ungarn vorangebracht werden.

Ähnlich wie Großbritannien, das als Folge des Brexit ebenfalls eine Reduktion der Unternehmenssteuern erwägt auf 15% oder gar weniger, will die Regierung Orban damit Standortnachteile ausgleichen. In ihrer Regierungszeit seit 2010 hat das Investitionsklima in Ungarn gelitten. Der nun geplante Umbau des Steuer- und Abgabensystems soll eine Gegenmassnahme darstellen.

Ungarn soll zur Steueroase werden - Tiefer als Irland

Orban unterzeichnete am 24. November 2016 gemeinsam mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern in Budapest eine weitreichende Vereinbarung. Die Regierung will den Steuersatz auf Unternehmensgewinne ab 2017 auf einheitliche 9% senken. Bisher galt ein Satz von 10% für Klein- und Mittelbetriebe und von 19% für Grossfirmen. Damit wird Ungarn Irland unterbieten, wo mit 12,5% bislang der niedrigste Satz auf Firmengewinne in der EU erhoben wird. Auch gewinnt man Vorteile im Standortwettbewerb mit den anderen Visegrad-Ländern Tschechien (19%), Slowakei (21%) und Polen (19%).

Wirtschaftspolitik mit Sondersteuern

Die Steuersenkung soll Ungarn vor allem für ausländische Unternehmen attraktiver machen. Allerdings sollte die Wirkung der Massnahme nicht überschätzt werden. Im Land tätige Konzerne wie Audi, Daimler oder Bosch profitieren häufig bereits von Steuererleichterungen und zahlen geringe Steuern. Zudem bleiben stark umstrittene Elemente der sprunghaften Wirtschaftspolitik Orbans bestehen. Dazu zählen etwa auf ausländische Firmen zielende Sondersteuern sowie insbesondere die Unberechenbarkeit und Intransparenz der Politik, teiweise auch die Bevorzugung von dem Regierungschef nahestehenden Unternehmern.

Weiterhin werden die Unternehmen dazu verpflichtet, deutlich höhere Mindestlöhne zu zahlen (allein in 2017 ist ein Anstieg um 25% geplant), womit einem wachsenden Mangel an Arbeitern und Fachkräften im Land entgegengewirkt werden soll.

Als zusätzliches Element plant die Regierung eine drastische Senkung der Sozialabgaben. Allerdings ist der Faktor Arbeit mit Steuern und Abgaben von insgesamt fast 50% bisher in Ungarn besonders stark belastet. Nun sollen die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherungen in den kommenden zwei Jahren um insgesamt bis zu 7,5 Prozentpunkte reduziert werden.

Ständige Rechtsunsicherheit

Während Sondersteuern und -regulierungen gerade der Dienstleisungswirtschaft das Leben bereits hinreichend schwer machen - insbesondere Branchen wie Banken, Energie, Telekom, Medien und Detailhandel bekamen dies zu spüren - bildet insgesamt die aus der Sprunghaftigkeit der Politik resutierende Rechtsunsicherheit das Hauptproblem.

Unternehmen in Ungarn leben derzeit in ständiger Ungewissheit darüber, was die Politik als nächstes Thema angehen könnte. Dies sind keine Rahmenbedingungen, die eine längerfristige und nachhaltige Investitionsplanung ermöglichen.

Kapital verlässt das Land

Als Folge des unsicheren Investitionsklimas flossen in den letzten zwei Jahren nicht nur weniger ausländische Direktinvestitionen ins Land als früher, vielmehr hat sich der Kapitalfluss umgekehrt im Sinne eines deutlichen Netto-Abflusses an Direktinvestitionen.

Steuersätze sind nicht alles

Die Senkung des Unternehmenssteuersatzes allein verspricht deshalb noch keine mittelfristige wirtschaftliche Erfolgsbilanz für Ungarn. Gerade Faktoren wie Rechssicherheit und Verlässlichkeit der institutionellen und steuerlichen Rahmenbedingungen sind unabdingbar für unternehmerische Entscheidungen. Daran fehlt es derzeit in Ungarn.